Lofotisch schön
01 Mrz 2019

Lofotisch schön

01 Mrz 2019

Der Kutter brummt laut, im Fahrerhaus herrscht angespannte Stille. Noch 40 km trennen uns vom Fährhafen in Bodo. Wir sind wesentlich schneller vorangekommen als eigentlich gedacht, und wenn wir jetzt ein kleines Bißchen Glück haben, dann sparen wir uns den Tag Wartezeit in Bodo und sind schon heute Nachmittag wieder auf der Insel. Ich kitzle alles aus dem Kutter heraus, die Prognose unseres Navis sagt wir sind 5 Minuten nach dem Ablegen der Fähre da, also heißt es Zeit aufholen.

Die Straßen sind leer, und unter Missachtung der schönen Landschaft nutze ich beide Fahrspuren der leeren Straße aus. Der Blick auf’s Navi orakelt mir zuverlässig rechtzeitig enge Kurven und wir machen einiges an Zeit gut. Der absolute Endgegner unserer Mission ist dann aber doch der Stadtverkehr in Bodo – was für ein Krimi. Als wir endlich am Anleger ankommen sehen wir gerade, wie die Fähre die Klappe zumacht. Als ich gerade leise über die letzten beiden roten Ampeln fluche sehe ich die Klappe wieder aufgehen und den Einweiser, der uns heran winkt. Ein letztes Mal muss der Kutter für diesen Tag alles geben und wir stehen als letztes Auto quer auf der eigentlich total vollen Fähre – geschafft!

Die Überfahrt ist ein Traum! Das Wetter spielt mit, und verglichen mit unserer letzten Reise auf die Lofoten liegt das Meer wirklich ruhig. Wir stärken uns im Bordrestaurant und genießen dann den Ausblick. Bald schon hat unsere kleine Kreuzfahrt ein Ende und in sorgfältiger Millimeterarbeit rangiere ich den Kutter aus seiner Parkposition von Bord – Da sind wir wieder!!! Hej Lofoten Islands!

Norwegen ist atemberaubend, an so vielen Orten und in so vielen Facetten. Die Lofoten sind dabei aber für mich jedes Mal wieder aufs Neue ein absolutes Highlight. Nachdem die Deutsche Sprache in der Steigerung von Adjektiven aber ein wenig begrenzt ist und ich “am schönsten” nicht für ausreichend empfunden habe wird hiermit der Begriff “lofotisch schön” eingeführt. Sowohl im Sommer, als wir in der Zeit der Mitternachtssonne auf den Inseln unterwegs waren, als auch jetzt, im norwegischen Herbst, die Lofoten haben eine eigene, wesentlich reichere und kräftigere Farbpalette als andere Orte. Die Landschaft ist ein spannender Kontrast aus schönen Stränden mit türkisem Wasser und feinem Sand, satten grünen Wiesen und schroffen, steilen Bergen, die aussehen als hätte sie ein Troll in ihre Stelle gekleckst.

Die Schlafplatzsuche auf den Lofoten ist mit dem Wohnmobil nicht immer ganz einfach, die Inseln sind eng, zwischen Meer und Berg ist oft nicht viel Platz. Wenn man dann aber fündig ist und der Kutter seinen Platz für die Nacht gefunden hat wird das Abendessen in jedem Fall von einem unvergesslichen Ausblick begleitet, auch wenn diese schönen Stellplätze oftmals mit einer akzeptablen Gebühr belegt sind.

Ich könnte in diesem Beitrag jetzt stundenlang von den Lofoten schwärmen, was wir alles erlebt haben hier und welche Unternehmungen ich wirklich besonders empfehlen kann, aber das würde den Rahmen sprengen und vermutlich hätte niemand die Ausdauer alles zu lesen. Es wird also nach und nach mehr Beiträge geben, die unsere lofotisch schönen Tage hier zusammenfassen und vielleicht ja dem Ein- oder Anderen Lust machen auf eine Reise in den hohen Norden.

Zurück in den Kutter! Wir verlassen das belebte Hafengelände und fahren Richtung Haukland Beach. Dort, und im hinter einem langen (einspurigen) Tunnel versteckten Utakleiv wissen wir sichere schöne Schlafplätze. Ich bin noch nicht weit gefahren, da sehe ich am Straßenrand einen anderen Kutter stehen, schon von Weitem erkenne ich diesen Bus, den ich im Internet schon oft begutachtet hatte. Ein anderes Mitglied von MB100.de war dann wohl auch samt Familie auf den Lofoten unterwegs. Als ich rechts blinke um die Straße zu verlassen kommt die Besatzung des anderen Kutters schon winkend auf uns zu, wir wurden also auch erkannt. Es folgen freudige Urlaubserzählungen und der Beschluss, dass unser Treffen definitiv den Orden des nördlichsten Kuttertreffens aller Zeiten verdient hat.

Nach einem schönen Nachmittag mit netten Gesprächen geht es weiter nach Utakleiv, dort am Strand wollen wir die erste lofotische Nacht verbringen und parken den Kutter mit direktem Blick aufs Meer.

Wir ziehen uns an um die Gegend zu Fuß zu erkunden. Mit guten Wanderschuhen erlebt man die Lofoten immer noch am intensivsten. Wir treffen eine deutsche Frau, ganz aufgeregt zeigt sie uns ihre Fotos. Verwundert betrachten wir eine Schafsherde, die genüßlich schwimmend die Bucht bei Haukland durchquert. Das war mir nun wirklich auch nicht bewusst, dass Schafe schwimmen können, mit all ihrer Wolle. Leider dürfen wir diesem Schauspiel nicht in Natur beiwohnen, wir treffen nur zahlreiche Artgenossen grasend am Wegesrand.

Zurück am Kutter geht die Sonne unter. Es ist Ende August, norwegischer Herbst, es wird wieder dunkel. Wir genießen den Sonnenuntergang und essen zu Abend.

Der dämmrige Himmel will sich aber hartnäckig nicht ganz verdunkeln, der letzte Hauch der langen Sommertage liegt noch in der Luft. Ich finde trotzdem keine Ruhe, die stille Hoffnung auf Erfüllung meines größten Wunsches für diese Reise hält mich auf den Beinen. Es ist schon nach Mitternacht, es ist jetzt relativ dunkel, man sieht einige Sterne. Wie ich es bei unserem Winterurlaub in Lappland 2012 gelernt habe studiere ich die entsprechenden Apps und Internetseiten. Ich kann mein Glück kaum fassen, die Prognose für Sonnenwinde, die auf unsere Erdatmosphäre treffen und dabei das für mich beeindruckendste Naturschauspiel auslösen steht gut. Schnell bin ich wieder angezogen, packe Stativ und Kamera ein und mache mich auf den Weg nach draußen. Möge die Jagd beginnen – Aurora Hunting im August, die Einheimischen würden mich definitiv auslachen. Ich harre aus, es ist auch gar nicht so kalt, nachdem es aber tagsüber noch 25 Grad hatte fühlen sich die 12 Grad der Nacht trotzdem frisch an. Polarlichter werden zuerst, bedingt durch die lange Belichtung von 30 Sekunden und mehr, von meiner Kamera gesehen. Mehrfach hatte ich das Gefühl am Himmel etwas blitzen gesehen zu haben, ich war mir nicht sicher, bilde ich mir das ein, tut sich da oben etwa doch noch etwas? Ich fotografiere hoffnungsvoll den nicht ganz verdunkelten Himmel und….. “WIE GENIAL!!!!!” ich sehe deutliche grüne Streifen auf dem Ergebnis. Ich bin auf einen Schlag hellwach! Es dauert nicht mehr lange und ein heller Streifen tanzt über den Himmel. Anfangs wirkt es eher weiß, wie ein tanzender Kondensstreifen eines Flugzeugs, doch plötzlich geht es richtig los, ringsherum bilden sich immer mehr dieser Streifen, sie werden grünlich, grün, lila und rot. Ich hab einen riesen Kloß im Hals, das ist so unglaublich, surreal fast und unendlich schön. Die Lichter spiegeln sich im Meer und ich vergesse fast meine Kamera zu bedienen, einfach nur schauen und diesen wahnsinnig tollen Moment genießen. Als würde jemand den Stecker ziehen endet das Schauspiel so schnell wie es begonnen hat. Es ist fast 4 Uhr in der Früh und der baldige Sonnenaufgang zeichnet sich schon deutlich am Himmel ab. Euphorisch gehe ich in den Kutter und finde kaum Schlaf. Nordlichter, Ende August, es gibt sie also doch! Die kommenden Tage werde ich mit sehr sehr wenig Schlaf auskommen müssen, die Lofoten sind tagsüber lofotisch schön, das Schauspiel nachts ist dann aber sozusagen die Steigerung von der gesteigerten Steigerung im schön sein.

Am nächsten Morgen bekomm ich das Grinsen immer noch nicht aus dem Gesicht, was war das für eine tolle Nacht. Ich starte den Kutter, wir wollen eine Ausfahrt über die Inseln unternehmen und die Stadt mit dem weltweit kürzesten Ortsnamen besuchen “A”. Über Brücken und Tunnels geht es dahin, das Wetter ist wunderbar, es hat schon wieder über 20 Grad. Etwas gewöhnungsbedürftig ist es immer wieder, wenn der Übergang zwischen zwei lofotischen Inseln mit einem Tunnel überwunden wird, einem Tunnel durch das Meer. Auch wenn ich diese Tunnel schon von anderen Fahrten durch Norwegen kenne, zum Beispiel auf dem Weg zum Nordkapp, es ist immer wieder etwas beklemmend. Plötzlich, die Straße ist gerade schmal, links und rechts der Straße kann man das Meer schon fast berühren, ein schriller Schrei meiner Beifahrerin. Obwohl ich keine direkte Gefahr erkenne muss das ABS kurz helfen, nach der erschrockenen Vollbremsung den Kutter auf Kurs zu halten, dann erkenne ich den Grund: Keine 100 Meter von uns entfernt jagen Orca-Wale. Ein besonders großes Exemplar springt in hohem Bogen aus dem Meer. Jetzt muss alles schnell gehen. Eine kleine Ausbuchtung direkt vor mir wird mit der nächsten harten Vollbremsung gerade noch so getroffen, Handbremse, Motor aus und raus…. Schnellen Schrittes geht es die wenigen Meter bis zur Wasserlinie. Schon das zweite Mal in weniger als 24 Stunden und mir bleibt die Luft weg vor Aufregung, damit hätte ich nicht gerechnet. Die Wale springen, es sieht aus als würden sie spielen. Wir stehen beide da, keiner sagt ein Wort. Plötzlich fällt es mir ein . “Schei**”, alle Kameras liegen im Kutter. Es gibt wirklich kein einziges Foto von diesem Schauspiel. Als ich später die Kamera geholt habe sind die Wale schon wieder weit draußen auf dem Meer. Nur wenige Pixel auf den dennoch gemachte Fotos werden uns an dieses Treffen erinnern.

Unterwegs bewundern wir einige lofotisch schöne Ortschafen. Geprägt ist das Inselbild von den Holzgestellen, auf denen die einheimischnen Fischer ihren Fang trocknen um so den weltberühmten Törrefisk herzustellen. Natürlich haben wir es uns nicht nehmen lassen diese kulinarische Besonderheit zu probieren – in meinem Fall allerdings mit dem abschließenden Befund, dass mir nicht jede landestypische Eigenheit schmecken muss. Weiterhin typisch für die Lofoten sind die sogenannten “Rorbua”, kleine Fischerhütten, die auf Pfählen gebaut im Wasser stehen. Sie dienten einst den Fischern, heute sind sie auch eine beliebte urige Unterkunft für kutterlose und trotzdem abenteuerlustige Touristen.

Wir haben noch viele Tage auf den Lofoten und ich werde auf jeden Fall noch berichten, wie mir der Reinebringen bei seiner Besteigung gezeigt hat, dass ich definitiv doch nicht ganz schwindelfrei bin, ich werde erzählen wie wir den Trollfjord erkundet haben und dabei Seeadler bei der Jagd beobachten konnten…. aber für hier und jetzt denke ich sind es genug Eindrücke von einem Ort, nördlich des Polarkreises, der beim Erzählen gleich mehrfach nach der Steigerung von Superlativen verlangt, weil er einfach so lofotisch schön ist.

 

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